Wünsche!

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moMente eines Stadtschreibenden #3

Michael Mente

«Bitte, was ich dir geben soll.» – Diese Einladung klingt verführerisch für die Ohren eines Herzens voller Wünsche. Was wünsche ich mir und wie wünsche ich richtig? – Die Gedanken aus der Predigt des Weinfelder Pfarrers Daniel Bühler haben mich inspiriert. Die aktuelle Ausgabe von «moMente» wird darum zu einer Art Gastauftritt und doch einem Gemeinschaftswerk: Mit der Erlaubnis des Autors habe ich das Predigtmanuskript in Form gebracht und um eigene Gedanken erweitert. Ob das Resultat wunschlos glücklich macht? Wenn sich daran weitere Gedanken anheften, ganz bestimmt.

1  Sehnsucht
«Der Mensch lebt nicht vom Brot allein … (Mt 4,4).»  ̶  Es ist schon so, man muss sehr genau hinhören, wie dieser Vers zu uns spricht. Wir leben in einer satten Gesellschaft und dennoch sind wir nicht immer wunschlos glücklich. Durst und Hunger sind bestenfalls lästige Gefühle geworden und doch brauchen wir sie, denn sie weisen auf elementare Bedürfnisse unseres Körpers. Sie sind lebenswichtig. Aber auch unser Herz und unser Geist brauchen Nahrung. Wonach hungern Sie, wonach dürstet Sie? Gerade, wenn Sie sonst schon alles haben? Ist das alles, wenn man alles hat? – «Der Mensch lebt nicht vom Brot allein». Er hat Durst nach mehr.

In der Tat: Sehnsucht und Wünsche prägen unser Leben. Und ein erfüllter Wunsch gebiert doch tausend weitere, heisst es. Oder in einem Gedicht von Wilhelm Busch:

Wonach du sehnlich ausgeschaut,
Es wurde dir beschieden.
Du triumphierst und jubelst laut:
Jetzt hab ich endlich Frieden!

Ach, Freundchen, rede nicht so wild,
Bezähme deine Zunge!
Ein jeder Wunsch, wenn er erfüllt,
Kriegt augenblicklich Junge.

Wie sehr dies der Fall ist, habe ich kürzlich im Kino erlebt. Im Film: «Wonder Woman» (Wunderfrau) wird ein magischer Kristall gefunden. Sein Zauber besteht darin, dass er jeden Wunsch erfüllt, der geäussert wird. Viele Menschen äussern ihre Wünsche und tatsächlich gehen alle in Erfüllung. Was denken Sie? Sind jetzt alle Menschen glücklich und zufrieden? Nein – das Gegenteil ist der Fall! Es kommt zur baren Katastrophe, da alle Menschen, Reichtum, Macht und Berühmtheit wünschen, führt das zu Krieg und totalem Chaos. Der üble Geist, ein böser antiker Gott, wie es im Film heisst, reibt sich schadenfroh die Hände, denn sein Plan, die Welt und die Menschheit zu verderben, ist in Erfüllung gegangen. Er hat sie bei ihren Begierden gepackt. Doch es gibt ein Heilmittel, den drohenden Untergang abzuwenden: Wenn alle Menschen ihre Wünsche zurücknehmen, gerät die Welt wieder in Ordnung. In einem anderen Film erhält der Protagonist die Möglichkeit zu einem ganz besonderen Seitenwechsel: Bruce in der Komödie «Bruce Allmächtig» macht Gott für das Scheitern in seinem Leben verantwortlich, worauf dieser ihm erscheint und ihm einen Job anbietet: seinen. Zunächst erfüllt Bruce sich, ausgestattet mit allen Kräften, alle möglichen Wünsche, aber schliesslich wächst ihm seine Göttlichkeit allmählich über den Kopf: Unzählige E-Mails – Gebete mit Wünschen – treffen ein, er überlegt nicht viel und beantwortet alle mit «Ja». Das Chaos bricht auch in diesem Film aus. Auch in seinem Leben. Seine Freundin verlässt ihn, Gott hat ihm auferlegt, dass er allen Kräften zum Trotz keinen Willen beeinflussen kann. Gott kommt erst aus dem Urlaub zurück und rückt die Welt wieder zurecht, als Bruce seine Lektion begriffen und sich mit seinem Leben versöhnt hat.

Die Filme knüpfen an die Ursehnsucht der Menschen an. Viele Märchen erzählen dasselbe: Aladin und die Wunderlampe zum Beispiel. Aber auch die Bibel berichtet im Alten Testament in den ersten Kapiteln vom verhängnisvollen Wunsch der Menschen, über sich selbst hinauszuwachsen – bis zum Höchsten: Zu sein wie Gott selber.

2  Versuchung
Wie im ersten Film ist es der Teufel, der dem Menschen diese Möglichkeit vor Augen stellt und ihn damit ins Unglück stürzt. Der böse Geist, die Bibel nennt ihn Teufel, taucht immer wieder auf. Im Neuen Testament erscheint er dem hungernden Jesus in der Wüste. Doch dieser widersteht der Versuchung, seine Macht einzusetzen, um dem Mangel zu begegnen. Mehr noch, der Teufel spricht zu ihm: Ich gebe dir alle Reiche der Welt, wenn du mir nachfolgst. Jesus lehnt die Weltherrschaft und totale Macht ab, denn er weiss, dass diese Versuchung gegen Gottes Wille ist.

In der Geschichte hat es immer wieder Menschen gegeben, die auf das Angebot des bösen Geistes eingegangen sind. Menschen, die nicht nach Gott fragen, sondern ihren Wunsch nach Macht und Reichtum an erste Stelle setzen. Und tatsächlich, der Teufel hat ihnen diese Macht gegeben, aber für einen hohen Preis; sie haben ihre Seele verkauft. Faust verkauft für das Erkennen, was die Welt im Innersten zusammenhält, seine Seele dem Teufel. Was hat er dafür bekommen? Adam und Eva genügten das Paradies nicht, sie griffen nach dem Apfel vom Baum der Erkenntnis. Menschen wie Nero im Alten Rom oder Hitler im Dritten Reich sind traurige Figuren, die blind vor Macht und Gier waren. Allesamt fanden sie ein tragisches Ende.

Der Pakt mit dem Teufel ist alles andere als ein Märchen. Wer Gott-loswird und sich dem Teufel anschliesst, der erhält unheimliche, übermenschliche Kräfte. Die Versuchung lauert überall. Nicht bloss Jesus, nicht bloss Hitler sind vom Teufel versucht worden. Wir alle leben permanent in der Situation, dass die Schlange uns ins Ohr flüstert: «Du kannst alles haben, was Du willst, wenn Du auf mich hörst und nicht auf Gott!» Der Versucher kommt auf leisen Sohlen daher und hat grosse Macht in unserer Gesellschaft durch leere Versprechungen. Er macht uns blind für das, was wir haben, macht uns weis, es genüge nicht, lässt uns nach allem sehnen, nur nicht nach geistiger Nahrung. Wunschlos glücklich macht anderes. Das macht ihn mächtig.

Eine dieser verheerenden Flüsterstimmen der Versuchung ist die Werbung. Da wird uns tagtäglich weisgemacht, Du kannst alles Glück der Welt haben, wenn Du nur dies und jenes kaufst. Mit dem Erfolg, dass wir in den reichen Ländern allesamt zu Egoisten geworden sind, die nur noch an ihr eigenes Glück denken. Materielles Glück. Für die leise Stimme, die im Vers «Der Mensch lebt nicht vom Brot allein» spricht, wird es zu laut. Was hat der Kristall aus dem Film «Wonder Woman» nochmals bewirkt? Ein Chaos der egoistischen Wünsche. Der Teufel reibt sich die Hände. Daher lohnt es sich, gut hinzuschauen, wer uns nach unseren Wünschen fragt.

3  Wunsch
Sie kennen das Dilemma aus den Märchen und Sagen, wonach dem Protagonisten drei Wünsche von einem – sagen wir mal, guten – Geist gewährt werden; wofür soll man sich entscheiden, wenn einem plötzlich die Welt offensteht? Was würden Sie sich wünschen? Was, wenn sogar Gott selbst fragen würde?

In 2Chron 1,7. ist es tatsächlich Gott selbst, der Salomo einen Wunsch gewähren will.

«Bitte, was ich dir geben soll!» – Der Fragende ist Gott selbst, nicht ein böser Geist oder ein hinterhältiger Versucher. Stellen wir uns vor, Gott würde uns diese Frage stellen. Es wäre wohl die entscheidende Weichenstellung unseres Lebens! Gott hat wohl die Kraft, all unsere Wünsche erfüllen zu können. Viele Wünsche haben wir! Der Wunsch nach Reichtum, nach Gesundheit, nach Glück, nach Frieden in unseren Familien, Friede auf der ganzen Welt! – Könnte Gott alles erfüllen. Aber ist das für alle und alles zum Besten?

Was also würden Sie sich wünschen, wenn Sie wüssten, dass eben jetzt in diesem Augenblick Ihr Wunsch in Erfüllung gehen würde? Weil Gott Sie persönlich fragt?

Achten wir auf die Worte von Salomo. Von ihm können wir die Kunst des Bittens lernen, so wie es Gott gefällt. Bevor er lossprudelt, zieht er die Bilanz seines gegenwärtigen Lebens. Er schaut auf das, was ihm Gott schon geschenkt hat. Den Segen seines Vaters, dessen Reichtum er geerbt hat. Die Königsherrschaft über ein grosses Volk. Das erfüllt ihn mit grosser Dankbarkeit.

Ich denke, wir alle werden von Gott gefragt: «Bitte, was ich dir geben soll!» Die Verse zur Geschichte Salomos in 2Chron 1,7. lehren uns, bevor wir Gott antworten und eine Bitte äussern, zuerst Bilanz zu ziehen, was Gott uns schon geschenkt hat im bisherigen Leben. Es gibt immer irgendetwas, wofür wir dankbar sein können. Selbst Dinge, die man niemandem wünscht: Gerade auch die schmerzvollen Erfahrungen haben uns reifer und stärker gemacht. So wie Paulus sagt: «Alle Dinge dienen dem, der glaubt, zum Besten (Röm 8,28).» Aus der Haltung der Dankbarkeit heraus formuliert Salomo seine Bitte. «Schenke mir ein weises Herz, damit ich dieses Volk in rechter Weise führe.» Auffallend an dieser Bitte ist, dass Salomo nicht zuerst an sich denkt, sondern an das Volk Gottes. Er wünscht sich Kraft, damit er seine Aufgabe gut und gottgemäss lösen kann.

Gott gefällt Salomos Wunsch und er schenkt ihm die Erfüllung seines Wunsches. Blicken wir kurz zurück auf unseren Wunsch, den wir im Stillen bewegt haben: War dieser Wunsch für uns selber oder war er für Gottes Sache? Oder anders gefragt: Was hätte Gott davon, würde er unseren Wunsch erfüllen? Würde dadurch sein Reich wachsen, würden Liebe und Friede in der Welt durch unseren Wunsch vermehrt werden? Wenn nicht, sollten wir uns durch das Beispiel Salomos fragen lassen, ob wir nicht noch zu sehr im Ego stecken und zuerst darum bitten sollten, dass Gott uns Weisheit schenkt, richtig zu bitten!

Erstaunlicherweise schenkt Gott dem Salomo in der Folge weit mehr, als dieser sich erbeten hatte. «Weil du solch gute Gesinnung hast», spricht Gott, «schenke ich dir noch Reichtum und Ehre dazu.» An dieser Stelle ist es wichtig, zu erkennen, dass Reichtum und Ehre nicht das Wichtigste sind, sondern eine blosse Zugabe. So, wie Jesus sagt: «Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes, so wird euch alles andere zufallen (Mt 6.33).»

Doch selbst diese Zugabe birgt grosse Gefahren in sich. Schauen wir auf das Leben Salomo. Sein Reichtum und seine Ehre sind ins Grenzenlose gewachsen. Sein Besitz und sein Lebensstil haben ihn auf Abwege geführt und im selben Mass wie sein Reichtum gewachsen ist, hat sein Glaube und seine Gottesbeziehung Schaden erlitten. Allein schon durch seine 1000 Frauen aus aller Welt und deren Glaube an zahlreiche fremde Götter wurde seine ungeteilte Liebe zu Gott allmählich unterminiert. Es ist also an uns, verantwortungsvoll mit erfüllten Wünschen umzugehen!

2Chron 1,7 beinhaltet somit drei wesentliche Lehren für das richtige Wünschen:

  1. Bilanz ziehen, was Gott in meinem Leben schon Gutes gewirkt hat.
  2. Das führt zu einer Haltung der Dankbarkeit.
  3. Eine Warnung vor irdischen Wunscherfüllungen.

4  Seitenwechsel
Wir haben uns mit den Wünschen von Salomo und unseren Wünschen beschäftigt. Machen wir jetzt einen Perspektivenwechsel. Statt zu fragen, was wir uns wünschen, fragen wir auch danach, was Gott sich wünscht? Möglicherweise finden Sie diese Frage unangemessen und hypothetisch. Die Philosophen und selbst die intellektuellen Gottverzichter sagen, Gott sei vollkommen und habe keine Wünsche. Doch die Bibel lehrt uns, dass die Frage, was Gott sich wünscht, sehr berechtigt ist. Die ganze Schrift berichtet von dem einen Wunsch Gottes: Er wünscht sich eine persönliche Beziehung zu uns Menschen. Und damit sind auch Sie ein «Wunschkind» Gottes. Zu jedem Menschen hin schlägt sein Herz (wie das auch im Gleichnis vom verlorenen Schaf zum Ausdruck kommt).

Gott selbst arbeitet an seiner Wunscherfüllung Tag und Nacht. Er legt jenen Durst in uns, der uns immer wieder aufrüttelt, im Leben mehr zu suchen als «Brot und Spiele». Viele Menschen verlieren sich in der Welt, indem sie ihren Durst mit vergänglichen Dingen zu löschen versuchen. Über diese Dinge muss man nicht predigen, man hört und sieht es täglich: Im Kino, im Fernsehen, in der Presse, im Internet. Schon vor 1500 Jahren hat der Römer Aurelius Augustinus ins Schwarze getroffen, als er zu seiner Bekehrung sagte: «Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir.»

Ruhe in Gott zu finden, ist unsere Bestimmung und unser höchstes Ziel. Doch dies schaffen wir nicht aus uns selbst und damit kommen wir zum letzten Punkt.

5  Das Geschenk
Christus ist der leibgewordene Wunsch Gottes, den Menschen seine Nähe zu zeigen. Es ist ein Jammer, wenn ein Mensch dieses beglückende Angebot nicht annimmt und meint, es gäbe da noch irgendetwas, das darüber hinausginge. Wie die Jünger sagten: «Wo sollen wir hingehen, Du hast Worte des ewigen Lebens (Joh 6,68).»; das hat bis heute nicht aufgehört seit dem Osterereignis. Wer dem lebendigen Herrn im eigenen Leben begegnet, wird gleich den Jüngern im Lukasevangelium (24,32.) sagen: «Brannte nicht unser Herz?» Danach braucht man nichts mehr, dann ist man sein Eigentum. 

Text erstellt auf Grundlage der Stichworte zur Predigt vom 16.5.21 über 2Chr 1,7–13 «Wünsche»! von Pfr. Daniel Bühler, evangelische Kirchgemeinde Weinfelden, und zu einem gemeinschaftlichen Werk um eigene Überlegungen ergänzt durch Michael Mente.

(1) Der Wortlaut der originalen Predigt ist ebenfalls publiziert und kann als Weinfelder Monatspredigt (Juni, Nr. 835) heruntergeladen werden: Nr. 835 (1).pdf.

michael mente weinfelden wyfelder thurgau

Michael Mente – ist Historiker, Archivar, Autor verschiedener Bücher und Beiträge und arbeitet derzeit in der Denkmalpflege des Kantons Thurgau. Er ist in Weinfelden aufgewachsen und schreibt für den Wyfelder seit Start. In der Reihe «Fundstücke aus der Weinfelder Geschichte und Kultur» erzählt er uns zudem in loser Reihenfolge durch «sein» Weinfelden spazierend von unserem Städtchen und teilt Gedanken in der Stadtschreiber-Kolumne «moMente».

Beitragsbild: pixabay

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