Die Klasse auf der Schulreise – Foto: Familienalbum Schär
Wie lebten die Weinfelderinnen und Weinfelder vor dem Ersten Weltkrieg in ihrem Dorf? Sekundarlehrer Werner Schär schickte 1958 seine Klasse zu alten Einheimischen, um sie zu befragen. Die Aufsätze, eine Pionierleistung der Oral History, zeigten ein lebendiges Bild von Weinfelden in der Vergangenheit; sie gingen allerdings im Nachlass des 1994 verstorbenen Klassenlehrers verloren.
Die Klasse kommt jedoch immer noch jedes Jahr an der Bochselnacht zusammen. Und die Ehemaligen nahmen sich bei einem dieser Treffen vor, selber als Zeitzeugen ihre Jugenderinnerungen aufzuschreiben, also das Dorfleben in den 1950er-Jahren festzuhalten. Was dabei entstanden ist, stellten sie an ihrer letzten Zusammenkunft Stadtpräsident Simon Wolfer und Schulpräsident Thomas Wieland vor: eine von der Wolfau-Druck schön gestaltete, mit Fotos aus dem Bürgerarchiv reich bebilderte Broschüre.

Hubertus Schmid erzählt vom Treiben in den zwanzig Restaurants und Cafés, die es damals im Dorfkern noch gab, vor allem natürlich im «Hirschen» seiner Familie, wo jeder Gast seinen angestammten Platz hatte. Irene Bauhofer erinnert sich an ihren Schulweg von der noch ländlichen Burg eine Naturstrasse voller Löcher hinunter zum Pestalozzi-Schulhaus, wo Abwart Rubli sie die Schuhe putzen hiess. Und Stephan Laczko berichtet von seinen Erfahrungen als Flüchtling, der 1956 aus Budapest kam und in Weinfelden auf viel Wohlwollen stiess. Zusammen mit anderen Geschichten – von der Schürzentragpflicht in der Schule bis zum Hockeyspielen auf der vereisten Wiese bei der Thurbrücke – entsteht so ein anschauliches Bild von einem Dorf, das in Vergessenheit zu geraten droht.
Die Klasse stellt ihr Werk den Schulen und der Regionalbibliothek zur Verfügung. Sie hofft damit einen so wertvollen Austausch zwischen den Generationen anzuregen wie bei ihren Aufsätzen von 1958.
Kindheit und Jugendzeit im Weinfelden der 1950er Jahre. Erinnerungen der Sekundarschul-Klassen 2c/3c 1957-1960. Verlag Wolfau-Druck AG, Weinfelden 2023.
Leserbeitrag: Markus Schär