Weinkelterung wie 1584 – Der Torkel von einst und der Bachtobler Pinot Noir von heute

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An nur einem einzigen Tag wird der alte Torkel aus dem Jahr 1584 im Weinfelder Schlossgut Bachtobel in Betrieb genommen, um auf diese traditionelle Weise den Bachtobel Barrique Nr. 3 zu keltern und auch nur, wenn der Ertrag der Lese es erlaubt. Dieses Jahr war es wieder soweit und eine geladene Schar Gäste durfte dem Spektakel beiwohnen.

Es ächzt und knarrt, die Spannung ist im Holz, aber auch im Raum zu spüren. Zwei Helfer gehen behände, mit Kraft und viel Gefühl im Kreis um die Holzspindel, die Halterungen werden gelöst. Langsam, mit jeder Drehung, senkt sich der mächtige Eichenbaum des uralten Torkels Zentimeter um Zentimeter und drückt mit gut 15 Tonnen auf die vorgängig sorgfältig aufgeschichteten und abgedeckten Trauben auf dem Presstisch. Plötzlich schiesst ein erster Schwall des blutroten Safts aus dem Ausfluss. Die Freude ist gross, die Spannung sinkt, während sich der Baum aus einer «Nussknackerstellung» nun ganz in die Parallele senkt und mit voller Kraft auf die Maische drückt. Vieles kann bei so antikem Gerät schief gehen, jederzeit kann sich etwas unter den gewaltigen Kräften verziehen, verkeilen oder bersten. Aber es geht alles glatt. Der 2009 revidierte Torkel aus dem Jahr 1584 funktioniert tadellos.

Es ist seit einigen Jahren ein besonderes Ritual, das Gutsherr Johannes Meier, der den Betrieb auf Schlossgut Bachtobel in nun schon achter Generation führt, gerne zum Abschluss der Kelterkampagne zelebriert. Und auch nur, wenn die Ernte entsprechend ausgefallen ist.

Es ist ein sinnliches Erlebnis, das die Gäste hier in der Atmosphäre der alten Bachtobler Trotte (so nennt man das Gebäude) erfahren. Es ist wohl diese Unmittelbarkeit der uralten, seit den Römern bekannten Technik, die einen fesselt, ganz anders als der diskrete Charme der chromstahlglänzenden Maschinen, die sonst diese Arbeiten verrichten. Da sind die besonderen Geräusche, die einen die Kraft spüren lassen, aber auch der Duft der dampfenden Maische, der schon seit längerem den Raum schwängert. Und die Gäste sind Zeugen, welchen körperlichen Einsatz diese traditionelle Art der Kelterung abverlangt. Es steckt viel Arbeit in einem Glas Wein – bis zuletzt.

Der Presstisch wurde vorgängig während zwei Wochen, also in der Zeit, während die entstielten und angedrückten Trauben (Maische) in hohen Tanks vergoren, regelmässig gewässert, damit das so aufquellende Holz dichthält. Die Wanne wurde mit Weinhefe ausgestrichen. Und heute ist die Önologin Ines Rebentrost in den Tank gekrochen und schaufelt während der Ankunft der Gäste durch eine kleine Öffnung eine Butte (Rückentraggefäss) oder Bütte, je nach Dialekt, nach der anderen voll.

Wohl niemand hat gezählt, wie oft einer der Helfenden den Raum betreten hat, auf den Presstisch gestiegen und sein Gefäss mit je zwischen 30 und 40 Kilo Inhalt über die Schulter ausgekippt hat. Gut 2 Tonnen Maische seien es schliesslich. Die Masse wird sorgfältig zu einem Kuchen geformt und schliesslich mit Brettern bedeckt und Balken beschwert. Zwei Pressdurchgänge sind geplant, dazwischen wird der Trester – so nennt man den Rückstand – mit einem Stechmesser aufgeschnitten und erneut gepresst.

Irgendwann ist die Spindel am Anschlag, der Balken und sein Tragwerk haben ausgestöhnt und das Gewicht hat sich in die Höhe geschraubt. Jetzt wird der Drehhebel verkeilt – man lässt fliessen, was das Pressgut unter diesem Druck hergibt. Gut 200 Liter des edlen Safts – es ist in diesem Zustand bereits Wein – werden gewonnen. Vereinigt mit dem gesammelten Saft, der sich vorgängig aus dem Gärtank abgesetzt hat, sind es dann 4200 Liter aus Pinot Noir, die schliesslich zum Wein ausgebaut werden, der 2024 auf die Tafeln kommen wird.

Die Gäste dürfen einen ersten Testschluck geniessen und stossen mit Johannes Meier an. Die Begeisterung ist bei allen gross – auch beim Nachwuchs, der tatkräftig den Vater unterstützt hat. Hoffnung, dass diese schöne Tradition auf diesem geschichtsträchtigen Gut fortgeführt wird, ist also durchaus gegeben. Auf dass eine der ältesten Pressen Europas weiterhin unter sanftem Ächzen einen modernen Spitzenwein kreieren darf!

Autor und Fotograf Michael Mente bei der «Weinprobe».

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