Allerheiligen – Allerseelen

Foto Friedhof Weinfelden, von G. Munz_1
Diesen Beitrag teilen.

ALLERHEILIGEN ist ein Datum, in dem sich die kirchliche Gedenkkultur zusammenballt und verdichtet. Das Fest gilt allen Märtyrern und Heiligen auf einmal. Schon im 4. Jahrhundert ist in der Ostkirche die Zahl der Vorbilder im Glauben offensichtlich so gross geworden, dass die Tage im kirchlichen Kalender nicht mehr ausreichten, ihrer einzeln zu gedenken. Das Fest Allerheiligen ruft also, um es mit einer musikalischen Metapher zu sagen, nicht besondere Solisten, sondern den vielstimmigen Chor der Märtyrer und Heiligen auf. Die Kirche geht davon aus, dass den Menschen auf der anderen Seite des Todes nicht das Nichts, sondern die wahre Fülle des Lebens erwartet. Das Beste kommt erst noch – und die Heiligen haben schon jetzt an dem Anteil, wofür wir keine Begriffe, sondern allenfalls Ahnungen und Bilder haben.

Seit dem Mittelalter wird Allerheiligen in der lateinischen Westkirche am 1. November begangen. Es setzt so zur herbstlichen Stimmung einen österlichen Kontrapunkt. Inmitten der vergilbten Blätter und entlaubten Bäume, die uns an die Vergänglichkeit des Lebens erinnern, reisst Allerheiligen einen eschatologischen Horizont auf, der die Immanenz von Welt und Geschichte übersteigt.

Die Lebensgeschichten der Heiligen zeigen: in unterschiedlichen geschichtlichen Kontexten haben ganz unterschiedliche Menschen dem Evangelium glaubwürdig Gesicht und Stimme verliehen. Gerade in den pluralen Lebenswelten der Moderne kann diese Vielfalt an Exempeln orientierende Kraft entfalten und zeigen, dass das Wort Gottes beeindruckende Kommentare im Lebenszeugnis von Menschen gefunden hat.

Das II. Vatikanische Konzil hat in seiner Lehre über die Kirche von der «allgemeinen Berufung zur Heiligkeit» gesprochen. Das klingt nach frommer Diktion, aber darin steckt nichts weniger als eine Demokratisierung des Begriffs ‘heilig’. Alle Gläubigen sind eingeladen, ihren Lebensstil am Evangelium auszurichten, dem Gebot der Gottes- und Nächstenliebe zu folgen und eine Kultur der Vergebung zu üben, die den lästigen Nachbarn eben nicht auf seine Fehler fixiert.

«Heiligkeit ist ein Appell an alle und eben kein Elite-Programm für Virtuosen der Frömmigkeit.» Jan-Heiner Türk

 Jedem Christen, jeder Christin ist durch Taufe und Firmung ein unverlierbares Charisma mitgegeben ist, dem Evangelium ein ansprechendes und auch unverwechselbares Gesicht zu geben. Das ist in den ausdifferenzierten Berufs- und komplexer werdenden Lebenswelten heute allemal wichtig.

Um die Heiligenverehrung nicht als Menschenvergötzung misszuverstehen, hat das II. Konzil von Nicäa im Jahr 787 bereits eingeführt: Gott allein wird angebetet (adoratio), die Heiligen werden lediglich verehrt (veneratio). Auch wird die Einzigkeit der Heilsmittlerschaft Jesu Christi nicht angetastet. Die Heiligen sind Vermittlungen zum Mittler, nicht dieser selbst! 

ALLERSEELEN kam als Fest der lateinischen Westkirche um das Jahr 1000 dazu. Abt Odilo von Cluny hat es zunächst für die Benediktinerklöster eingeführt, dann hat es sich nach und nach in der ganzen Kirche verbreitet. Allerseelen rückt das Gedenken der übrigen Verstorbenen ins Zentrum und wird am 2. November begangen.

Das Fest gibt dem Schmerz und der Trauer um den Verlust uns nahestehender Menschen ausdrücklich Raum. Es steht damit quer zur gesellschaftlichen Tabuisierung von Trauer und Tod. Zugleich setzt es eine Zäsur des dankbaren Gedenkens und rückt diejenigen in den Fokus, die unser Leben geprägt haben, nun aber nicht mehr unter uns sind. Damit erinnert Allerseelen daran, dass auch unser eigenes Leben unter dem Neigungswinkel der Sterblichkeit steht. Kirche bietet so eine Erinnerungsgemeinschaft an, die ihre Mitglieder nicht vergisst, sondern deren Namen im Gebet vor das lebensstiftende Gedächtnis Gottes trägt. Das wird auch in rituellen Praktiken deutlich. Man besucht die Gräber, segnet sie, hält inne und entzündet ein Licht, das die österliche Hoffnung symbolisiert.

Der theologische Sinngehalt des Festes Allerseelen ist: Das Gebet für die Verstorbenen zeigt die Solidarität der Lebenden mit den Toten. 

Die Kreuze auf den Friedhöfen sind daher keine lebensfeindlichen Symbole, sie erinnern an den österlichen Übergang vom Tod zum Leben, das keinen Tod mehr kennt. In jedem Gottesdienst, der in Wort und Sakrament an Passion und Auferstehung Jesu Christi erinnert, wird auch der Toten gedacht.

Das ist kein billiges Trösten, zu schmerzhaft verletzt der Stachel des Todes die Seele noch des überzeugtesten Gläubigen. Wenn immer ich mich von einem lieben Menschen verabschieden muss – wenn immer ich mit einer Todesnachricht konfrontiert werde, stosse ich an die Grenzen meines irdischen Daseins.

 Allerheiligen & Allerseelen führen somit nicht in erster Linie den eigenen Tod, die eigene Sterblichkeit vor Augen, sondern bringen mich in Kontakt mit den Grenzerfahrungen meines Lebens.

In Weinfelden feiern wir am Sonntag, 2. November beide Anlässe:

Um 10 Uhr beginnt der Festgottesdienst zu Allerheiligen in der Kirche St. Johannes. Die Chöre aus Fischingen und Weinfelden singen dazu die «Thurgauer Jubiläumsmesse» von Heinrich Walder.

Zum Totengedenken treffen wir uns um 13.30 Uhr in der Kirche. Danach gehen wir gemeinsam auf den Friedhof und segnen die Gräber. Eine Bläsergruppe des Musikvereins Weinfelden umrahmt diese Andacht.

Kirche St. Johannes
Freiestrasse 13 • 8570 Weinfelden
www.katholischweinfelden.ch

zVg

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Dein Beitrag auf WYFELDER
Hast du eine Nachricht für den Wyfelder? Einen Hinweis auf ein Ereignis? Oder möchtest du uns einfach eine Anregung senden? Nutze dieses Formular oder sende eine E-Mail an news@wyfelder.ch.

Nach oben scrollen