Rotierende Netzabschaltungen schadeten der Wirtschaft

Der Frauenfelder Energie-Publizist Armin Menzi warnt in Sachen Energieversorgung vor einem «weiter so wie bisher». Man müsse die Energieversorgung in ganz Europa komplett neu denken 00003
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Laut Energie-Publizist Armin Menzi können etwaige Energiekrisen in der Schweiz zukünftig nur durch eine noch engere Zusammenarbeit mit dem EU-Raum gemeistert werden.

Der Frauenfelder Energie-Publizist Armin Menzi warnt in Sachen Energieversorgung vor einem «weiter so wie bisher». Man müsse die Energieversorgung in ganz Europa komplett neu denken.

Armin Menzi sprach am Freitagabend im Rahmen der Jahresversammlung der Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Gesellschaft Thurgau (AWG) im «Trauben» in Weinfelden. Die AWG arbeitet an der Weiterentwicklung einer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, die der Solidarität und Subsidiarität sowie der freiheitlichen und sozialen Marktwirtschaft verpflichtet ist. Laut Armin Menzi ist die Energiebranche aktuell so stark in Bewegung wie er es noch nie selbst erlebt habe. «Ich habe vor einem Jahr angefangen, ein Buch über die Energie zu schreiben – und habe in dieser Zeit mehr in Sachen Energie erlebt als in den 50 Jahren zuvor», so Menzi. Und das will etwa heissen. Denn immerhin war Menzi, selbst Jahrgang 1954, jahrelang Informationsbeauftragter der Schweizer Stromwirtschaft. Aktuell hätten in den Turbulenzen rund um den Ukraine-Krieg seiner Einschätzung nach «viele Akteure die Übersicht ein wenig verloren». Dennoch sei die «Energiebranche besser als ihr Ruf, aber auch schlechter als in der eigenen Wahrnehmung», urteilte Menzi.

Energiepolitisch ein Eigentor geschossen

Die Schwierigkeit bei der Bereitstellung von Strom sei, dass er nicht beliebig hergestellt und verbraucht werden könne. Vielmehr müsse immer genau gleich viel Strom erzeugt werden, wie gerade verbraucht werde. Ansonsten habe das Stromnetz schnell ein Problem, denn «wird zu viel produziert, so verbrennt das Netz, wird zu wenig produziert, so bricht es zusammen», erläuterte Menzi. Zusammen mit den aktuell zu bewältigenden Energieproblemen, habe dies dazu geführt, dass «momentan an vielen Fronten ein teurer Aktionismus» herrsche. Zumal 90 Prozent der Gesamtenergie im europäischen Binnenmarkt nach wie vor aus Erdöl, Erdgas und Kohle stamme. Dem gegenüber sei die Schweiz mit 60 Prozent Wasserkraft zwar potenziell besser aufgestellt. Doch das könnte sich, da das Schweizer Stromnetz ein Teil des europäischen Stromnetzes und dieses auch von Energie-Importen aus dem EU-Raum abhängig sei, ändern. Denn mit dem Abbruch der EU-Rahmenvertragsverhandlungen habe die Schweiz energiepolitisch ein Eigentor geschossen. «Die Teilhabe am EU-Binnenmarkt ist in der Schwebe und in der EU27-Richtlinie wird die Schweiz nun als Energie-Exportnation eingestuft nicht mehr als Partner», so Menzi.

Viele Massnahmen, geringer Nutzen

Die Massnahmen, welche Bund und Parlament beschlossen hätten, um der Energiekrise Herr zu werden – wie beispielsweise die Erhöhung der Grimsel-Staumauer um 23 Meter, die Förderung grosser Freiflächen für Solaranlagen in den Hochalpen oder den Rettungsschirm für systemkritische Stromunternehmen wie die Axpo seien – seien zwar gut, aber wenig mehr als ein Tropfen auf dem heissen Stein. Einschränkungen im Energiekonsum seien unumgänglich, doch dort, wo es am meisten brächte, praktisch unmöglich: in der Industrie. Denn die Idee von «rotierenden Netzabschaltungen» könne, so Menzi, in der Industrie nicht funktionieren. Für Private möge es möglich sein, dass sie alle acht Stunden mal vier Stunden ohne Strom sein könnten. Aber in der Industrie sehe dies anders aus. «Je nach Branche kann es nach vier Stunden Stromunterbruch bis zu drei Wochen gehen, bis alles wieder so läuft, wie vor dem Unterbruch», warnte Menzi.

Neue Denkansätze notwendig

Auch deuteten alle Berechnungen darauf hin, dass die Schere zwischen benötigter und verfügbarer Energie, weiter aufgehen werde. Vor allem dann, wenn man, wie das die Schweiz mit der Energiestrategie 2050 beschlossen habe, zunehmend aus der fossilen Energie aussteigen wolle. Dann reiche es nicht mehr, noch effizienter zu sein. «Dann sind auch neue Denkansätze gefragt. Die Steinzeit ist auch nicht zu Ende gegangen, weil wir keine Steine mehr hatten, sondern weil Leute am Werk waren, die neue Ideen mitbrachten». In welcher Grössenordnung dieser Wandel kommen müsse, verdeutlichte Menzi an einem Rechenbeispiel: «Wenn die AKWs in der Schweiz alle wegfallen, bräuchten wir 2000 Windräder und 60 Quadratkilometer an Solarflächen – nur um den Verlust zu kompensieren». Dies zeige, dass ein energiepolitischer Alleingang der Schweiz wenig vielversprechend sei und einzig eine gesamteuropäische Lösung eine krisensichere Energieversorgung der Schweiz auch in der Zukunft garantieren könne, so Menzi.

Text und Foto: Christoph Lampart – Pressebureau Lampart

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